Bearbeiter: RA Dr. Rainer Strauß
OLG Köln Beschluss vom 10.8.2001 (Ss 264/01) NJW 2002, 527
Fall (Parken mit manipulierter Parkscheibe)
A parkte ihren Pkw auf dem Kölner Ring im Geltungsbereich eines Parkscheinautomaten. Das Parken ist dort nur an Werktagen und nur gegen Entrichtung einer Parkgebühr erlaubt. Der Parkscheinautomat ist auf 24 Stunden eingestellt, wobei die Parkgebühr für diesen Zeitraum 5,- DM betrug. Der Parkschein zeigt das Ende der zulässigen Parkzeit mit Datum und Uhrzeit an. Darüber hinaus enthält er eine Bezeichnung des Standortes. Um die Parkgebühr zu sparen und einer Ordnungsstrafe durch kontrollierende Politessen zu entgehen, legte die A einen abgelaufenen Parkschein gut sichtbar hinter die Windschutzscheibe, wobei sie die Datumsangabe so überklebte, dass ein aktuelle Datum auf dem Parkschein ausgewiesen wurde. Die Politesse erkannte jedoch die Manipulation und brachte den Fall zur Anzeige. Strafbarkeit der A ?
I. A könnte sich wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I 2. Fall (Verfälschen einer echten Urkunde) StGB strafbar gemacht haben.
1 . Dann müsste der Parkschein eine Urkunde sein.
a) Eine Urkunde ist definiert als eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet ist und ihren Aussteller erkennen lässt.
Der Parkschein bestätigt, dass – durch wen auch immer – eine Parkgebühr entrichtet und damit die Berechtigung zur Benutzung von Parkfläche in einem bestimmten Bereich – nämlich denjenigen des ausgewiesenen Automaten - für eine bestimmte Zeitspanne – nämlich bis zu dem ausgedruckten Parkzeitende – erworben worden ist. Der Parkschein ist somit eine zum Beweis im Rechtsverkehr verkörperte Gedankenerklärung.
b) Weiterhin müsste ein Aussteller erkennbar sein. Der Aussteller muss sich nicht explizit aus der Urkunde ergeben. Es reicht aus, dass er sich aus Begleitumständen ergibt. Diese wiederum können aus gesetzlichen Beziehungen, aus Gesetz, Herkommen und Vereinbarungen hergeleitet werden ... Bezogen auf die vorliegende Fallgestaltung ist daher von Bedeutung, dass die Erhebung von Parkgebühren im Betrieb von Parkscheinautomaten in § 6 a VI 2 StVG gesetzlich geregelt und für den Bereich von Ortsdurchfahrten den Gemeinden, im übrigen dem Träger der Straßenbaulast zugewiesen ist. Als Aussteller des Parkscheines war daher die Stadt Köln erkennbar, so dass der Parkschein eine Urkunde ist.
2. Indem A die Datumsangabe des Parkscheins überklebt hat, hat sie die Beweisrichtung des Parkscheins geändert und somit eine Urkunde verfälscht.
3. A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen einer Urkundefälschung gemäß § 267 I 2. Fall strafbar gemacht.
II. A hat sich ferner wegen des Gebrauchs einer verfälschten Urkunde gemäß § 267 I 3. Fall StGB strafbar gemacht. Da sie den Gebrauch der verfälschten Urkunde aber von vornherein geplant hatte, liegt nur eine Urkundenfälschung gemäß § 267 I StGB vor.
III. A könnte sich weiterhin gemäß § 268 I Nr. 1 StGB wegen des Verfälschens und desGebrauchs einer technischen Aufzeichnung strafbar gemacht haben.
1 . Nach der Definitionsnorm des § 268 II StGB ist eine technische Aufzeichnung eine Darstellung von Daten, Mess- oder Rechenwerten, die durch technisches Gerät ganz oder zum Teil selbständig bewirkt werden. Zusätzlich wird verlangt, das die Informationen selbständig auf einem von dem Gerät abtrennbaren Stück fixiert werden (Tröndle/Fischer § 268 Rnr. 3). Das ist bei einem elektronisch hergestellten Parkschein der Fall (vgl. hierzu Hecker JuS 2002, 224, 226, der sich ausführlich mit dieser Problematik befasst).
2. Durch das Überkleben der Datumsanzeige hat A die technische Aufzeichnung, den Parkschein, verfälscht, da er seine Beweisrichtung geändert hat. A hat sich somit auch wegen einer Verfälschung einer technischen Aufzeichnung gemäß § 268 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Bezüglich des anschließenden Gebrauchs der technischen Aufzeichnung gelten die Ausführungen zu § 267 I StGB unter II.
IV. A könnte sich ferner wegen Urkundenunterdrückung gemäß § 274 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
1. Dann müsste sie eine echte Urkunde oder technische Aufzeichnung beschädigt haben. Der Parkschein ist sowohl eine echte Urkunde als auch eine technische Aufzeichnung. Eine Beschädigung ist gegeben, wenn an der Urkunde Veränderungen vorgenommen werden, die sie in ihrem Wert als Beweismittel beeinträchtigen. A hat den Parkschein überklebt und somit die Beweisrichtung geändert und damit die Urkunde bzw. technische Aufzeichnung beschädigt.
2. Weiterhin müsste sie in der Absicht gehandelt haben, einem anderen einen Nachteil zuzufügen. In Fällen, in denen es dem Täter ausschließlich darum geht, die ordnungsrechtliche Verfolgung zu umgehen, wird eine Nachteilszufügungsabsicht des Täters verneint, da § 274 StGB nicht dem Schutz des staatlichen Straf- und Ahndungsanspruchs dient (Hecker JuS 2002, 224, 226 m.w.N.). Eine Strafbarkeit der A gemäß § 274 I Nr. 1 scheidet daher aus.
V . A könnte sich wegen Erschleichens von Leistungen gemäß § 265 a I StGB strafbar gemacht haben.
Automaten i.S. des § 265 a I StGB sind jedoch nur Leistungsautomaten. Bei dem Parkscheinautomaten, der eine körperliche Leistung zum Gegenstand hat, handelt es sich um einen Warenautomaten. Der Parkscheinautomat ist somit kein Automat i.S. des § 265 a I StGB, so dass A sich nicht wegen des Erschleichens von Leistungen strafbar gemacht hat.
VI. A könnte sich wegen eines versuchten Betruges gemäß §§ 263 I, 22 StGB gegenüber den Politessen und zu Lasten der Stadt Köln strafbar gemacht haben.
1. Dann müsste sie Tatenschluss zu einem Betrug gehabt haben. A wollte die Politessen über die Einlösung eines gültigen Parkscheins täuschen und bei diesen einen entsprechenden Irrtum erregen.
2. Dadurch wollte sie die Parkgebühr sparen und einer Ordnungsstrafe für das Parken ohne gültigen Parkschein entgehen. In der Rechtsprechung und dem Schrifttum ist aber anerkannt, dass die Abwehr einer Geldstrafe nicht zu einem Vermögensvorteil bzw. –nachteil im Sinne des Betrugstatbestands führt, da sie nicht zu dem durch § 263 StGB geschützten Vermögen des Staates gerechnet werden kann und es entsprechend bei dem Täter an dem subjektiven Merkmal einer auf einen rechtswidrigen Vermögensvorteil gerichteten Absicht fehlt. Die Strafe ist Vergeltung für begangenes Unrecht; sie wird um ihrer selbst willen verhängt und ist daher ihrem Wesen nach nicht vermögensrechtlicher Natur, sondern ein Rechtsgut eigener Art ... Zudem scheidet die Einbeziehung in den Schutzbereich des § 263 StGB im Hinblick auf die Straflosigkeit der persönlichen Selbstbegünstigung nach § 258 StGB aus gesetzessystematischen Gründen aus... Im Ergebnis ebenso verhält es sich für eine Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz , die ebenfalls eine Unrechtsfolge für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und vorwerfbare Handlung ist und repressiven Charakter hat ... , und zwar schon deshalb, weil sie …als Maßnahme zur Verkehrserziehung ebenfalls nicht dem Bereich des wirtschaftlichen Verkehrs zugerechnet werden kann.
A hat sich somit nicht wegen eines versuchten Betruges gemäß §§ 263 I, 22 StGB strafbar gemacht.