Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Erpressung, 253 I StGB

OLG Karlsruhe Beschluss vom 20. 10. 2004 (1 Ss 76/03) NJW 2004, 3724

Fall (Erpressung durch Kaufhausdetektiv)

A war im Kaufhaus K als Kaufhausdetektiv beschäftigt. Am 7. 9. 2002 beobachtete er, wie B und C diverse Gegenstände in von ihnen mitgebrachte Taschen packten und mit diesen, ohne zuvor zu bezahlen, das Kaufhaus verlassen wollten. A stellte B und C am Kaufhauseingang und verlangte die entwendeten Artikel zurück. Ferner wies er daraufhin, dass die Diebstähle zur Anzeige gebracht würden. A geleitete B und C zwecks Aufnahme der Personalien in sein Büro. Dort redeten B und C auf A ein und fragten „ob man nicht mit der Anzeige etwas machen könne“. Nachdem A die Personalien von B und C zwecks Weiterleitung an die Polizei aufgenommen hatte, verabredete er sich telefonisch mit B und C in einer Gaststätte. Dort wollten diese noch mal über den Vorgang sprechen und fragten A nochmals, „ob man mit der Anzeige nichts machen könne“. B und C hatten vor, A eine Geldsumme zu bieten, wenn dieser von einer Anzeige absehen würde. In der Gaststätte bot A ihnen an, die Anzeigen gegen Zahlung von 250 € pro Dieb „fallen zu lassen“, ansonsten werde der Vorgang an die Polizei weitergeleitet. B und C waren hiermit einverstanden und gaben A das geforderte Geld. A leitete die Strafanzeige nicht an die Polizei weiter. Strafbarkeit des A ?

A könnte sich wegen einer Erpressung gemäß § 253 I StGB strafbar gemacht haben.

1. Dann müsste er B und C mit einem empfindlichen Übel gedroht haben. Ein empfindliches Übel ist gegeben, wenn der zu befürchtende Nachteil geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen (Schönke/Schröder/Eser § 240 Rdnr. 20). Die Drohung mit einer Strafanzeige stellt grundsätzlich ein solches Übel dar (vgl. hierzu Joecks, Studienkommentar, § 240 Rdnr. 26 mit weiteren Beispielen). Fraglich ist allerdings, ob ein Übel für das Opfer auch dann zu bejahen ist, wenn die Initiative für das Täterverhalten von dem Opfer ausgeht. Nach OLG Karlsruhe stellt die Ankündigung des A, den Vorgang widrigenfalls an die Polizei weiterzuleiten, eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar. A schwinge sich hierdurch zum Herrn über das weitere Geschehen auf, indem er sein künftiges Handeln von der Zahlung von Geld abhängig mache. Dass die Initiative ursprünglich von den Geschädigten ausging, ist bezüglich der Tatbestandsverwirklichung unerheblich. Eine Drohung mit einem empfindlichen Übel ist somit gegeben.

2. Durch die Drohung müsste A den B und den C zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen genötigt haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen tatbestandsmäßig. Dies folge aus der wörtlichen Übereinstimmung von Tatmittel, Opferreaktion und Verwerflichkeitsprüfung des § 253 StGB mit § 240 StGB. Indem B und C, in der Vorstellung, die Anzeige wegen Diebstahls werde fallen gelassen, A das Geld gaben, wurden sie zu einem Tun genötigt. Wegen der Strukturgleichheit von Betrug und Erpressung – beides seien Selbstschädigungsdelikte, statt mit Täuschung erreiche der Erpresser sein Ziel mit Zwang – verlangt der überwiegende Teil der Lehre, dass das abgenötigte Verhalten den Charakter einer Vermögensverfügung hat. Eine solche soll nach der überwiegenden Ansicht in der Lehre nur dann gegeben sein, wenn das Opfer die Vorstellung habe, einen für die Herbeiführung des Vermögensnachteils unerlässlichen Mitwirkungsakt vorzunehmen. Aus der Sicht von B und C war die Herausgabe des Geldes ein unerlässlicher Mitwirkungsakt, so dass das abgenötigte Verhalten auch den Charakter einer Vermögensverfügung hatte.

3. Durch die Herausgabe des Geldes müsste dem Vermögen von B und C ein Nachteil zugefügt worden sein. Ein solcher liegt vor, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert des betroffenen Vermögens durch die Verfügung des Genötigten vermindert wurde und ihm dafür kein wirtschaftliches Äquivalent zugeflossen ist. Durch die Zahlung des Geldes hatten B und C erwartet, einer drohenden Geldstrafe zu entgehen. Da staatliche Sanktionen wie Geldstrafen aber nicht vermögensrechtlicher Natur sind, müssen diese bei der Frage des Zuflusses eines wirtschaftlichen Äquivalentes außer Betracht bleiben (vgl. Tröndle/Fischer § 263 Rdnr. 62 m.w.N.). Der Hingabe der jeweils 250 € entsprach somit kein wirtschaftliches Äquivalent, so dass ein Vermögensnachteil für B und C gegeben ist.

4 . A handelte vorsätzlich und in der Absicht der stoffgleichen Eigenbereicherung. Die von ihm erstrebte Bereichung war rechtswidrig, da er keinen Anspruch auf das Geld von B und C hatte.

5. Die von § 253 II StGB geforderte Verwerflichkeit ist gegeben, wenn das Nötigungsmittel, der erstrebte Zweck oder die Zweck-Mittel-Relation als sozial unerträglich anzusehen sind. Das Verhalten des A ist auch als rechtswidrig anzusehen, da die Drohung – Weiterleiten der Strafanzeige an die Polizei – zu dem angestrebten Zweck – ungerechtfertigte Bereichung des A – als verwerflich anzusehen ist, mithin keine Konnexität besteht ... Der Umstand, dass die Geschädigten auch unabhängig vom Verhalten des A die Zahlung eines Geldbetrags erwogen hatten, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal sich das Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck nicht nur an den Rechtsgütern der Betroffenen, sondern auch an der Wertung der Gesamtrechtsordnung orientiert ..., welche das rechtlich erhebliche und nicht nur im gesellschaftlichen Bereich liegende oder als sozial adäquat ... anzusehende Verhalten des A nicht zu billigen vermag. Somit handelte A verwerflich.

6 . Auch hat A rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen einer Erpressung gemäß § 253 I StGB strafbar gemacht. Die mitverwirklichte Nötigung gemäß § 240 I StGB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 253 I StGB zurück.

Zusammenfassung

Keine straflose Bestechung, sondern eine Erpressung liegt vor, wenn ein Kaufhausdetektiv für das „Fallenlassen“ einer Anzeige von dem Ladendieb eine bestimmte Summe Geld fordert. Dies gilt auch dann, wenn der Kaufhausdetektiv von Seiten des Ladendiebes hierzu erst ermuntert wird.