Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Eigentum und Gewahrsam am Leichnam und der Asche eines Verstorbenen, §§ 242, 246 StGB.Störung der Totenruhe, § 168 StGB. Strafrechtlicher Schutz des bei der Feuerbestattung nach der Verbrennung übrig bleibenden Zahngolds

OLG Bamberg
Urteil vom 29. 1. 2008 (2 Ss 125/07) NJW 2008, 1543

Fall
(Gold aus Asche)

Die Angeklagten A und B waren im Krematorium der Stadt S beschäftigt. In dieser Anlage verläuft der Prozess der Einäscherung in mehreren Stufen. In einer letzten Stufe wird die noch grobe Asche in der „Aschenmühle“ zermahlen und weiter aufbereitet. Dabei werden Metallteile automatisch ausgesondert. Durch Verwendung eines Magneten fallen magnetische Teile in ein linkes Schubfach, nicht magnetische wie z. B. Zahngold in ein rechtes Schubfach. Die zermahlene Asche fällt in die Urne. Nach einer Anweisung der Leitung des Krematoriums sollen die in das rechte Schubfach gefallenen Teile der Urne wieder beigefügt werden. A und B setzten sich über diese Anweisung hinweg, durchsuchten in einer Vielzahl von Fällen das rechte Schubfach, entnahmen das Zahngold und verkauften es. Den Erlös, der sich auf insgesamt 50.179 € belief, teilten sie untereinander auf. Nach den Ermittlungen der Polizei lassen sich die einzelnen Fälle anhand der Einäscherungsbücher, der bei A und B und den Ankäufern des Goldes beschlagnahmten Unterlagen sowie der Aufzeichnungen über die Arbeits- und Urlaubszeiten von A und B konkret feststellen. Wie haben A und B sich strafbar gemacht ?

A. Sowohl Diebstahl (§ 242 StGB) als auch Unterschlagung (§ 246 StGB) haben eine fremde bewegliche Sache zur Voraussetzung.

I. Das entnommene Zahngold war ursprünglich Teil des Körpers des Verstorbenen. Durch die Trennung vom Körper während des Einäscherungsvorgangs kann sich die rechtliche Zuordnung des Zahngoldes nicht verändert haben, zumal die Absicht bestand, es nicht getrennt zu halten, sondern es der Urne wieder beizufügen. Auch die Angehörigen des Verstorbenen haben offenbar in diesen Fällen keine gesonderte Behandlung des Zahngoldes verlangt. Also ist das Zahngold rechtlich grundsätzlich wie der Körper des Verstorbenen zu beurteilen.

II. Die Frage, ob der menschliche Leichnam und seine Teile eine fremde bewegliche Sache sind, ist umstritten.

1. Nach Kudlich JA 2008, 391, 392 unter II (in einer Besprechung dieses Falles) sind der menschliche Leichnam und seine Teile schon keine Sachen im strafrechtlichen Sinne. Nach OLG Bamberg S. 1547 unter a) wird dagegen die Sachqualität des menschlichen Leichnams überwiegend bejaht (mit Nachw.).

2. Weitgehende Einigkeit besteht aber darin, dass am menschlichen Leichnam kein Eigentum besteht, so dass er keine fremde Sache sein kann (OLG a. a. O.; Kudlich S. 392 unter II, der aber darauf hinweist, dass an für eine Organspende entnommenen Organen Eigentum entsteht). Schon RGSt 64, 313, 315 hatte ausgeführt, dass es „dem Herkommen und den Gepflogenheiten aller Kulturvölker widersprechen würde, den Leichnam eines Menschen als eigentumsfähige Sache zu behandeln.“ Das muss auch für die nach der Verbrennung übrig bleibende Asche und andere Verbrennungsrückstände gelten.

Somit scheiden Diebstahl und Unterschlagung aus. Der strafrechtliche Schutz des Körpers eines Verstorbenen richtet sich nicht nach §§ 242, 246 StGB, sondern nach § 168 StGB.

(OLG und Kudlich sprechen kurz die Frage an - auch unter Hinweis auf ein Urteil des AG Nürnberg -, ob in solchem Fall ein Versuch des Diebstahls oder der Unterschlagung angenommen werden kann, wenn der Täter geglaubt hat, das Zahngold sei eine fremde Sache. Für den vorliegenden Fall wird das vom OLG aber verneint, weil ein solcher Irrtum bei A und B nicht festgestellt worden sei und wohl auch kaum hinreichend sicher festgestellt werden könne.)

B. A und B könnten sich wegen Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) strafbar gemacht haben. Nach § 168 I StGB wird bestraft, wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen… oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder daran beschimpfenden Unfug verübt.

I. Das von A und B an sich genommene Zahngold könnte unter „Teile des Körpers“ fallen (was auf der Linie von oben A I liegen würde). Jedoch sind Teile des Körpers nur solche, die mit Gewalt oder jedenfalls nicht ohne Verletzung der Körperintegrität wieder entfernt werden können (OLG S. 1544 unter cc) m. Nachw.). Das trifft auf das in das rechte Schubfach gefallene Zahngold nicht zu. Auch unterscheidet § 168 I zwischen dem Körper und der Asche. Nach der Verbrennung ist kein Körper mehr vorhanden ist, so dass von diesem auch keine Teile mehr existieren. Nach der Verbrennung ist eine Tathandlung, die gegen den Körper gerichtet ist, nicht mehr möglich, sondern nur noch eine gegenüber der Asche.

II. A und B könnten die Asche eines verstorbenen Menschen weggenommen haben.

1. Dann müsste das in das rechte Schubfach gefallene Zahngold zur Asche des Verstorbenen gehören. Da das Zahngold selbst keine Asche, sondern ein wertvolles Edelmetall ist, auf dessen Wert es A und B gerade abgesehen hatten, ist diese Frage nicht zweifelsfrei zu beantworten. Es bedarf deshalb einer Auslegung des Gesetzes, die vom OLG schulmäßig nach Wortsinn, Entstehungsgeschichte, Systematik und Gesetzeszweck vorgenommen wird (S. 1544/5 unter a).

a) Der Begriff „Asche“ umfasst schon nach seinem allgemeinen sprachlichen Verständnis generell die bei einer Verbrennung verbleibenden Rückstände und damit grundsätzlich alles, was von verbranntem Material übrig bleibt (folgen Nachw.). Eine Beschränkung oder Differenzierung im Blick auf bestimmte Arten von Verbrennungsrückständen - zum Beispiel organische oder anorganische Bestandteile - ist diesem Begriff nicht zu entnehmen. Folglich gehören nach diesem grammatischen Verständnis zur Asche eines verstorbenen Menschen alle Verbrennungsreste eines menschlichen Körpers (mit Nachw.). Teil der Asche sind somit auch alle mit einem menschlichen Körper fest verbundenen fremden Bestandteile, soweit sie nicht brennbar sind und als Verbrennungsrückstand verbleiben(…). Schon nach diesem allgemeinen Begriffsverständnis ist auch das nach der Verbrennung verbleibende Zahngold dem Tatobjekt „Asche eines Verstorbenen“ i. S. des § 168 I StGB unterzuordnen, ohne dass mit dieser Wortauslegung die Grenzen des möglichen Wortsinns dieser Vorschrift überschritten wären.

b) Dem entspricht, dass nach den Gesetzesmaterialien der einer Leiche gewährte Schutz in gleicher Weise auf das erstreckt werden soll, was nach dem zu einer Feuerbestattung gehörenden Verbrennungsvorgang übrig bleibt.

c) Dieser gesetzgeberische Wille ist auch in der Systematik des § 168 I zum Ausdruck gekommen. Bei einer Erdbestattung erstreckt § 168 den Schutz auf sämtliche Teile des Körpers, auch auf künstlich hinzugefügte. Wegen der angestrebten Gleichbehandlung der Feuerbestattung muss das auch für diese und die hierbei anfallenden Verbrennungsrückstände jedweder Art gelten.

d) Auch aus teleologischer Sicht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz mit der Ausdehnung des Strafrechtsschutzes auf die „Asche eines Verstorbenen“ das Recht, wie es für Leichen besteht, verändern oder die Asche entgegen ihrer natürlichen Beschaffenheit der rechtlichen Beurteilung von Leichen nicht hat gleichsetzen wollen… Auch die Verbrennungsrückstände einer Leiche genießen insgesamt den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie die erdbestatteten Leichen… In beiden Fällen soll die Entnahme von früheren Teilen des Körpers oder der Verbrennungsrückstände zum Schutz der Totenruhe verhindert werden.

e) Da die vorstehenden Überlegungen zunächst nur den Fall erfassen, in dem sich Zahngold und übrige Aschereste zusammen und noch vermischt in dem Zustand befinden, wie er sich nach der Verbrennung darstellt, ist zusätzlich zu prüfen, ob sich dadurch etwas ändert, dass das Zahngold in der Aschenmühle von den übrigen Aschebestandteilen getrennt wurde. Das wird vom OLG mit der Begründung verneint, es handle sich hierbei nur um einen technischen Vorgang, der an der rechtlichen Qualität sämtlicher Bestandteile des Verbrennungsrückstands eines Verstorbenen keine Veränderung bewirkt. Insofern ist es daher für die rechtliche Behandlung unerheblich, ob sich das Zahngold des Verstorbenen im Zeitpunkt der Wegnahme durch Unbefugte noch bei den unsortierten Verbrennungsrückständen oder bereits - wie festgestellt - nach dem Zermahlen in dem rechten Schubfach der so genannten Aschenmühle befindet; es ist im Rechtssinne stets Teil der Asche des jeweils eingeäscherten Verstorbenen und deshalb mit allen sonstigen verbleibenden Verbrennungsrückständen in einer Urne zur Bestattung zusammenzuführen.

Somit gehörte das Zahngold zur Asche der Verstorbenen.

2. Weiterhin ist eine Wegnahme aus dem Gewahrsam des Berechtigten erforderlich. Auch die Subsumtion unter dies Begriffe erscheint im vorliegenden Fall zweifelhaft, so dass eine Auslegung erforderlich ist. Das OLG orientiert sich - was nahe liegt - am Begriff der Wegnahme i. S. des § 242 StGB, nimmt aber im Einklang mit der h. M. Modifikationen vor.

a) Ausreichend für § 168 ist nach dessen Sinn, die Würde des Verstorbenen zu wahren, der Bruch fremden Gewahrsams; nicht nötig ist, dass neuer Gewahrsam begründet wird (OLG S. 1545 unter b mit Nachw.).

b) Um einen Bruch des Gewahrsams feststellen zu können, muss entschieden werden, wer Gewahrsam hat, wenn sich die Asche noch im Verbrennungsraum befindet.

aa) Das OLG schließt sich der h. M. an (Nachw. S. 1545 unter aa), wonach ein Obhutsverhältnis und eine gewisse tatsächliche Ausübung der Totenfürsorge erforderlich sind.

bb) OLG S. 1545 unter bb): Wem danach der Gewahrsam zusteht, kann nicht nach einer allgemeinen Regel entschieden werden. Dies muss vielmehr im konkreten Einzelfall anhand der tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Anschauungen des täglichen Lebens und damit letztlich der Verkehrsauffassung beurteilt werden (BGHSt 16, 271 [273]; 22, 180 [182]). Dies führt hier dazu, dass in Bezug auf die Leiche und die Asche des Verstorbenen sowohl von einem Mitgewahrsam der totenfürsorgeberechtigten Angehörigen als auch von einem Mitgewahrsam des mit der Feuerbestattung beauftragten Betreibers der Anlage auszugehen ist. Zur Begründung:

Den Angehörigen des Verstorbenen war der Aufenthaltsort des Verstorbenen bekannt. Sie wären nicht nur berechtigt, sondern auch faktisch in der Lage gewesen, den Leichnam abholen zu lassen und an einen anderen Ort zur Bestattung oder Verbrennung bringen zu lassen sowie nach der Verbrennung des Leichnams über die Modalitäten der Behandlung der Urne mit der Asche des Verstorbenen bis zum Zeitpunkt der endgültigen Beisetzung zu bestimmen (folgen Nachw.)… Selbst bei den Eigentumsdelikten (§§ 242, 246 StGB) wird nicht verlangt, dass ein Gewahrsamsinhaber ständig in einer engen räumlichen Beziehung zur Sache steht.

Daneben bestand gleichrangiger Mitgewahrsam des…mit der Durchführung der Feuerbestattung beauftragten Betreibers der Anlage, in dessen Räumlichkeiten sich der Leichnam vor und die Asche nach der Verbrennung befand.

cc) OLG S. 1546 unter c): Berechtigter i. S. des § 168 StGB ist kraft Gewohnheitsrechts in erster Linie der dem Verstorbenen am nächsten stehende Angehörige als Inhaber des Totenfürsorgerechts, das insbesondere das Recht einschließt, Einwirkungen Unbefugter auf den Leichnam auszuschließen (…).

c) Da A und B den Mitgewahrsam der berechtigten nächsten Angehörigen an dem Zahngold gebrochen haben, indem sie das Zahngold an sich nahmen und später veräußerten, haben sie die Voraussetzungen „Wegnahme aus dem Gewahrsam des Berechtigten“ erfüllt.

3. A und B haben auch unbefugt gehandelt. Sie haben den objektiven Tatbestands des § 168 I StGB verwirklicht.

III. Den subjektiven Tatbestand haben A und B erfüllt, weil sie vorsätzlich gehandelt haben. OLG S. 1446 unter f): Ihnen war bekannt, dass es sich bei den Verbrennungsrückständen um Asche des Verstorbenen handelte. Zumindest auf Grund einer Parallelwertung in der Laiensphäre wussten sie, dass sie in der geschehenen Weise nicht mit dem Zahngold verfahren durften, und haben dem wissentlich zuwider gehandelt.

A und B haben auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Sie haben sich nach § 168 I StGB wegen Störung der Totenruhe strafbar gemacht.


Zusammenfassung