Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz
► Diebstahl mit Waffen, § 244 I Nr. 1 a) StGB. ► Begriff der Waffe. ► Begriffsbestimmung des „anderen gefährlichen Werkzeugs“
BGH Beschluss vom 3. 6. 2008 (3 StR 246/07) NJW 2008, 2861 (für BGHSt vorgesehen)
Fall (Whiskeydiebstahl mit Taschenmesser)
A betrat einen Lebensmittelmarkt. Er führte an seinem Gürtel ein klappbares Taschenmesser mit einer längeren Klinge bei sich, um von Whiskeyflaschen, die er stehlen wollte, die Sicherungsetiketten abzuschneiden. Gegen Menschen wollte er das Messer nicht einsetzen. A nahm drei Flaschen Whiskey aus einem Regal, ging einen Gang weiter und entfernte dort die Sicherungsetiketten. Danach verließ er das Geschäft, ohne zu bezahlen. Nachdem er den Kassenbereich verlassen hatte, schöpfte ein Angestellter, der die Überwachungskameras beobachtete, Verdacht und bewirkte die Festnahme des A. Das Amtsgericht verurteilte A wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 I 1 Nr. 1 Buchst. a StGB). Gegen dieses Urteil legte A Sprungrevision zum Oberlandesgericht ein. Das OLG will das Urteil des AG dahin abändern, dass A nur wegen einfachen Diebstahls (§ 242 StGB) verurteilt wird. Da andere OLGe in solchem Fall aber § 244 StGB angewendet haben, hat es den Fall nach § 121 II GVG dem BGH vorgelegt. Wie wird der BGH entscheiden ?
Der BGH hat zu entscheiden, ob in solchem Fall eine Strafbarkeit nach § 244 StGB (Diebstahl mit Waffen) gegeben ist. Andernfalls bleibt es bei § 242 StGB (einfacher Diebstahl), evtl. auch § 243 StGB (besonders schwerer Fall des Diebstahls). § 244 Nr. 1a) ist erfüllt, wenn A bei dem Diebstahl eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich geführt hat.
A. Unter Waffen sind nach einhelliger Meinung solche im technischen Sinne zu verstehen, das sind Gegenstände, die nach ihrer Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet sind (BGHSt 45, 92, 93; Fischer, StGB 55. Aufl. § 244 Rdnr. 3a; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 244 Rdnr. 3). Für sie ist also wesentlich ihre Zweckbestimmung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel. Ein Taschenmesser ist ein „Alltagsgerät“, bestimmt zum Gebrauch bei täglichen Verrichtungen, bei denen andere Messer wie Küchenmesser usw. nicht zur Verfügung stehen, und ist seiner Art nach kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel. Ein Diebstahl „mit Waffe“ im technischen Sinn liegt also nicht vor.
B. Auf A könnte aber zutreffen, dass er bei der Tat „ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt“. Ob das der Fall ist, richtet sich nach der durch Gesetzesauslegung zu gewinnenden genaueren Bestimmung dieses Begriffs.
I. § 244 StGB hat seine heutige Fassung durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts von 1998 (BGBl I S. 164) erhalten.
1. Dabei hat der Gesetzgeber den Begriff des gefährlichen Werkzeugs dem Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 I Nr. 2 StGB) entnommen und die Ansicht vertreten (BGH Rdnr. 14), auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Auslegungskriterien könne auch bei der Interpretation des wortlautgleichen Tatbestandsmerkmals des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zurückgegriffen werden (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9064 S. 18). Zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist allgemein anerkannt, dass ein Werkzeug dann als gefährlich anzusehen ist, wenn es aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2007, 95).
2. BGH Rdnr. 16: In Rechtsprechung und Literatur besteht mittlerweile allerdings weitestgehend Einigkeit darüber, dass für die Auslegung des Begriffs "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB die vom Gesetzgeber angeregte Orientierung an der genannten Definition dogmatisch verfehlt bzw. systemwidrig ist (folgen Nachw.). Denn anders als bei der gefährlichen Körperverletzung, die "mittels" des gefährlichen Werkzeugs begangen wird, stellt das andere gefährliche Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB - wie im Falle von § 177 Abs. 3 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB - gerade kein Tatmittel dar. Für die Verwirklichung des Tatbestandes reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vielmehr das bloße Beisichführen aus, so dass es - im Gegensatz zu § 177 Abs. 4 Nr. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB - zu einer Verwendung im konkreten Einzelfall, an deren Art die Gefährlichkeit gemessen werden könnte, nicht kommt…
Der Auslegungshinweis des Gesetzgebers ist deshalb für die Beantwortung der Vorlegungsfrage nicht tauglich. Auslegungsmethodisch betrachtet bedeutet das, dass die Entstehungsgeschichte des Gesetzes für die Auslegung unergiebig ist.
II. Bei den weiteren Überlegungen zur Auslegung des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ i. S. des § 244 I Nr. 1a besteht zunächst Einigkeit, dass ein körperlicher Gegenstand vorliegen muss, der nach seiner Beschaffenheit die Eigenschaft aufweist, als Mittel zur Gewaltanwendung oder -androhung eingesetzt werden zu können (BGHSt 24, 339, 341; 38, 116, 117; NJW 1996, 2663). Das trifft auf ein Taschenmesser zu. Streitig ist aber, welche zusätzlichen Umstände insbesondere bei Alltagsgeräten wie einem Taschenmesser gegeben sein müssen, damit § 244 I Nr. 1a) Anwendung findet. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Meinungen.
1. Zusätzliche subjektive Voraussetzungen
a) BGH Rdnr. 19 verweist auf die Rechtsprechung einiger OLGs (OLG Frankfurt StV 2002, 145;…OLG Braunschweig NJW 2002, 1735, 1736), die der Meinung sind, bei Werkzeugen, die als Gebrauchsgegenstand nicht allgemein zur Verletzung von Personen bestimmt seien, sondern jederzeit sozial-adäquat von jedermann bei sich geführt werden könnten, sei erforderlich, dass als subjektives Element eine generelle, vom konkreten Lebenssachverhalt losgelöste Bestimmung des Werkzeuges zur Verwendung gegen Menschen seitens des Täters hinzutrete, ohne dassallerdings die in § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB vorausgesetzte konkrete Verwendungsabsicht gegeben sein müsse.
b) BGH Rdnr. 21: Auch in einem Teil des Schrifttums wird die Auffassung vertreten, da nahezu jeder Gegenstand so eingesetzt werden könne, dass er erhebliche Verletzungen hervorzurufen geeignet sei, müsse für die Annahme eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB auf subjektiver Ebene ein begrenzendes Element hinzutreten. Dieses wird teilweise… darin gesehen, dass der Täter zumindest generell den Willen haben müsse, das Werkzeug auch zu Verletzungs- oder Bedrohungszwecken einzusetzen (vgl. Erb JR 2001, 206, 207; Geppert Jura 1999, 599, 602; Küper in FS für Hanack S. 569, 585 ff.; ders. JZ 1999, 187, 192 ff.). Andere Vertreter dieses Ansatzes fordern, der Täter müsse das Werkzeug einer gegebenenfalls gefährlichen Verwendung "gewidmet" haben (vgl. Rengier, Strafrecht BT I 9. Aufl. § 4 Rdn. 25; Hilgendorf ZStW 112 (2000), 811, 812 f.; Maatsch GA 2001, 75, 83) oder einen "inneren Verwendungsvorbehalt" gefasst haben, bei dessen Umsetzung sich das Werkzeug als gefährlich erweise (vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2 30. Aufl. § 4 Rdn. 262 b).
2. Grundsätzlich objektive Bestimmung
a) BGH Rdnr. 19: Andere Obergerichte sind der Ansicht, ein Werkzeug sei bereits dann im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB gefährlich, wenn es objektiv geeignet sei, erhebliche Verletzungen zu verursachen, und damit dem Täter bei Begehung des Diebstahls die Möglichkeit biete, es - etwa in einer bedrängten Situation - als Gewalt- oder Drohungsmittel einzusetzen. Der Tatbestand enthalte jedoch eine einschränkende subjektive Komponente durch das Merkmal des Beisichführens, die insbesondere zum Tragen komme, wenn der Täter einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens in sozialadäquater Weise bei sich führe (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG NStZ 2004, 212; OLG Celle StV 2005, 336; ähnlich OLG München NStZ-RR 2006, 342).
b) BGH Rdnr. 22, 23: Der - wohl überwiegende - Teil der Literatur befürwortet eine Interpretation des Tatbestandsmerkmals allein anhand objektiver Kriterien. Nach diesen Auffassungen ist die Gefährlichkeit eines Werkzeuges nur nach seiner objektiven Zweckbestimmung oder Beschaffenheit zu bestimmen (vgl. Laufhütte/Kuschel in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 250 Rdn. 6; Schmitz in MünchKomm-StGB § 244 Rdn. 14 ff.; … Kindhäuser, StrafR BT II, 4. Aufl., Rdnr. 7 ff.; Otto a. a. O. Rdn. 53; Dencker JR 1999, 33, 36; Fischer NStZ 2003, 569, 572; Hörnle Jura 1998, 169, 172; Jäger a. a. O., 654; Kindhäuser/Wallau StV 2001, 18 f.; dies. StV 2001, 352, 353; Lesch GA 1999, 376; Mitsch ZStW 111 (1999), 65, 79; Schlothauer/Sättele StV 1998, 505, 507; Schroth NJW 1998, 2861, 2864; Streng GA 2001, 359, 365 ff.; alle m. w. N.).
Innerhalb dieses Ansatzes wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen die Anwendbarkeit des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB vorrangig mit dem Ziel begrenzt, das bloße Beisichführen von Alltagsgegenständen wie Kugelschreibern, Gürteln, Krawatten, Miniaturschraubenziehern oder Schlüsseln nicht unter den Qualifikationstatbestand zu fassen. Es wird insbesondere vertreten, als andere gefährliche Werkzeuge im Sinne der Norm seien nur solche Gegenstände anzusehen, die zu potentiellen Verletzungszwecken eingesetzt werden könnten (Hörnle JURA 1998, 169, 172), von einer zumindest annähernden abstrakten Gefährlichkeit seien wie Waffen (Dencker a. a. O.), in der konkreten Tatsituation keine andere Funktion erfüllen könnten, als zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden (Eser a. a. O. Rdn. 7; Schlothauer/Sättele StV 1998, 505, 508), nach ihrer objektiven Beschaffenheit Waffen ähnelten und bei missbräuchlicher Verwendung dasselbe Verletzungspotential aufwiesen wie "echte" Waffen (Fischer NStZ 2003, 569, 572), eine objektive Waffenähnlichkeit besäßen (Mitsch a. a. O.), aufgrund ihres immanenten Eskalationspotentials und den damit verbundenen Risiken für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach dem Gesetz nicht für jedermann frei verfügbar seien (Lesch a. a. O. 376), denen eine Waffenersatzfunktion zukomme (Streng a. a. O.) oder vor deren Benutzung generell gewarnt bzw. bezüglich derer üblicherweise auf Vorsicht im Umgang mit ihnen hingewirkt werde (Hohmann/Sander, Strafrecht BT Teilbd. 1, 2. Aufl. § 2 Rdn. 5; Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 29).
3. Stellungnahme des BGH
a) Die subjektiven Lösungsansätze hält der BGH für nicht überzeugend. Rdnr. 27 - 31: Die genannten Ansichten lassen sich bereits nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang bringen. § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB enthält nach seiner insoweit sprachlich klaren und eindeutigen Fassung - im Gegensatz zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB - gerade kein über den Vorsatz bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale hinausgehendes, wie auch immer im Einzelnen zu definierendes subjektives Element. Insbesondere das Erfordernis einer auf den Einsatz des gefährlichen Werkzeugs als Nötigungsmittel gegen Personen gerichtete Absicht, sei sie generell gefasst oder auf den konkreten Diebstahl bezogen, lässt sich der Norm nicht entnehmen.
Dieses aus dem Wortlaut der Norm folgende Ergebnis wird durch systematische und teleologische Gesichtspunkte bestätigt: Die Absicht, das Werkzeug gegen Personen einzusetzen, wird nur von § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB gefordert, dessen Tatbestand verlangt, dass der Täter ein sonstiges Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um es zu Nötigungszwecken zu verwenden… Tatmittel sind deshalb bei dieser Tatbestandsalternative grundsätzlich beliebige Gegenstände, ohne dass es auf deren objektive Gefährlichkeit ankommt; denn durch die beschriebene Verwendungsabsicht wird die Gefahr des Einsatzes auch solcher Gegenstände zu Zwecken der Gewaltanwendung oder Drohung konkretisiert und damit die im Vergleich zum Grundtatbestand des Diebstahls (§ 242 StGB) höhere Strafdrohung gerechtfertigt. Demgegenüber will der Gesetzgeber mit § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB Fallgestaltungen mit einer während der Begehung der Tat erhöhten, abstrakt-objektiven Gefährlichkeit erfassen, die sich bereits daraus ableitet, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, weil in diesen Fällen die latente Gefahr des Einsatzes als Nötigungsmittel besteht… Der Differenzierung bezüglich der subjektiven Voraussetzungen der jeweiligen Tatbestandsalternative des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt somit die gesetzgeberische Absicht zu Grunde, das Beisichführen von Werkzeugen, die im Falle ihres Einsatzes gegen Personen aufgrund ihrer Beschaffenheit objektiv die Eignung besitzen, schwere Verletzungen herbeizuführen, wegen der latenten Gefahr des Gebrauchs durch den Täter selbst ohne dessen Verwendungsabsicht oder -vorbehalt mit erhöhter Strafe zu bedrohen. Dieser Konzeption des Gesetzes liefe es zuwider, wollte man in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zur Bestimmung des anderen gefährlichen Werkzeugs auf ein zusätzliches subjektives Element abstellen.
b) Rdnr. 32: Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB muss somit allein auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden. Dabei ist indes nicht zu verkennen, dass gegen diesen Ansatz und die in seinem Rahmen vertretenen einzelnen Auffassungen durchaus gewichtige Argumente vorgebracht werden können.
c) Dafür, dass auch auf der Grundlage objektiver Kriterien eine befriedigende Lösung der Abgrenzungsprobleme nicht gefunden werden kann, macht der BGH den Gesetzgeber verantwortlich. Rdnr. 24: Bereits die Anzahl der geschilderten Lösungsansätze weist darauf hin, dass die Fassung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB missglückt ist. Diese lässt von vornherein keine Auslegung des Begriffs des "anderen gefährlichen Werkzeugs" zu, die unter Anwendung allgemeiner und für jeden Einzelfall gleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung gewährleisten könnte. So ist es etwa schwer verständlich, dass es innerhalb des Strafgesetzbuches und sogar einzelner Normen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 2 Nr. 1 StGB oder § 177 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 StGB) zu einer unterschiedlichen Auslegung dieses wortgleichen Tatbestandsmerkmals kommen kann (…). Beachtet man zudem die Untauglichkeit des vom Gesetzgeber erteilten Auslegungshinweises, so wird deutlich, dass mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechnik eine umfassende, sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle nicht zu erreichen ist. Der Senat sieht deshalb davon ab, im vorliegenden Fall über die Beantwortung der präzisierten, dem konkreten Sachverhalt angepassten Rechtsfrage hinaus den Versuch zu unter nehmen, das Tatbestandsmerkmal "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB allgemeingültig zu definieren.
d) BGH Rdnr. 32: Die sich hieraus ergebenden Misslichkeiten sind gegebenenfalls durch eine adäquate Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. [Vgl. hierzu den Vorschlag von Mitsch NJW 2008, 2865: die zweite Alternative des § 244 I Nr. 1 a) ersatzlos streichen.] Bis zu einer derartigen gesetzlichen Neuregelung wird es für besondere Sachverhaltsvarianten - soweit nach den anerkannten Auslegungskriterien möglich - weiterer Präzisierungen des Tatbestandes durch die Rechtsprechung bedürfen.
e) Der BGH beschränkt sich deshalb darauf, die Voraussetzungen für ein „anderes gefährliches Werkzeug“ nur für den hier zur Entscheidung stehenden Fall zu bestimmen. Rdnr. 33: Für die hiesige Sachverhaltsgestaltung sind die Voraussetzungen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB jedenfalls zu bejahen. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend:
Rdnr. 34, 35: Messer, die nicht ohnehin als Angriffs- oder Verteidigungsmittel konstruiert sind und wie etwa Spring-, Fall-, Faust- oder Faltmesser zu den Waffen im technischen Sinne gehören, erfüllen nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, regelmäßig die Voraussetzungen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (vgl. BGH NStZ 1999, 136;…BGH NStZ-RR 2006, 12, 13 für den Fall eines Klappmessers). Die von ihnen ausgehende hohe abstrakte Gefahr, die Grund für die Strafschärfung durch den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist, ist evident und kommt derjenigen von Waffen im technischen Sinne zumindest nahe. Dies gilt in vergleichbarer Weise für Taschenmesser mit einer längeren Klinge… Auch diese sind objektiv zum Schneiden und Stechen bestimmt und nach ihrer Beschaffenheit hierzu geeignet. Von einem sonstigen Messer unterscheiden sie sich im Wesentlichen lediglich dadurch, dass die Klinge von Hand ausgeklappt werden muss. Dieser Umstand nimmt…einem Taschenmesser aber nicht seine objektive Gefährlichkeit. Ein solches Messer kann wie jedes andere jederzeit gegen Personen gebraucht werden und im Falle seines Einsatzes dem Opfer erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen zufügen. Die latente Gefahr, die von einem derartigen, von dem Dieb bei der Tat bei sich geführten Taschenmesser ausgeht, ist deshalb nicht in einem Umfang geringer als diejenige von sonstigen Messern mit einer vergleichbar langen feststehenden Klinge, dass nach dem Zweck der Norm eine unterschiedliche Bewertung gerechtfertigt wäre.
Der BGH hat deshalb entschieden, wie im LS formuliert: Ein Taschenmesser ist grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB; dies gilt unabhängig davon, ob der Dieb es allgemein für den Einsatz gegen Menschen vorgesehen hat.
In dem der Vorlage des OLG zu Grunde liegenden Fall hat A sich somit gemäß § 244 I Nr. 1a) StGB strafbar gemacht.
Zusammenfassung
Geht es darum, ob ein Gegenstand, der keine Waffe im technischen Sinne ist, ein „anderes gefährliches Werkzeug“ i. S. des § 244 I Nr. 1a) ist, lässt sich der derzeitige Streitstand wie folgt zusammenfassen: