Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß
►Betrug, § 263 StGB. ►Untreue, § 266 StGB
BGH Beschluss vom 11. 10. 2004 (5 StR 389/04) NStZ 2005, 157
Fall (Berliner Bausumpf)
B war Bauunternehmer in Berlin. Er vereinbarte mit dem Oberbauleiter A der Senatsbauverwaltung von Berlin, dass sein Bauunternehmen ohne vorherige Ausschreibungen Aufträge für Bauleistungen von A erteilt bekomme. Damit dennoch der Anschein einer korrekten Ausschreibung und Vergabe gewahrt bliebe, erfolgten Rechnungsstellungen und Abrechnungen durch vorgeschobene andere Bauunternehmer, die, wie alle Beteiligten wussten, für ihre Mitwirkung 10 % der geltend gemachten Werklöhne erhielten. A bestätigte auf 13 solcher Scheinrechnungen deren sachliche Richtigkeit. C, ein Beamter der Landeshauptkasse, verfügte sodann die Zahlungen an die Scheinrechnungsteller. Nach § 70 LHO Berlin ist eine materielle Prüfungspflicht der Kassenbeamten nicht vorgesehen. Bei einer vorherigen Ausschreibung wären die Bauleistungen kostengünstiger für das Land Berlin erbracht worden. Eine eigene Bereicherungsabsicht war A nicht nachzuweisen. Strafbarkeit des A ?
I. A könnte sich wegen Betruges gegenüber C und zu Lasten des Landes Berlin gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht.
1. Dann müsste er eine Täuschungshandlung begangen haben. Eine Täuschung ist jede Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, um eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorzurufen. Indem A die sachliche Richtigkeit auf den Rechnungen verfügte, hat er C vorgespiegelt, dass den Rechungen ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren zugrunde lag. Eine Täuschungshandlung ist daher gegeben.
2. Durch die Täuschungshandlung des A müsste bei C ein entsprechender Irrtum erregt worden sein. Der BGH verneint einen solchen Irrtum des C mit folgender Begründung. Durchgreifende Bedenken bestehen im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Erregung eines Irrtums. Das LG geht lediglich in seiner rechtlichen Würdigung davon aus, dass der verantwortliche Mitarbeiter der Landeshauptkasse die Zahlungen aufgrund eines Irrtums veranlasste ... Sind in einer Behörde die Zuständigkeiten für Rechnungsprüfung und Auszahlungsanordnung einerseits und für kassenmäßige Abwicklung andererseits getrennt, so wird es den mit den Kassenaufgaben betrauten Amtsträger im allgemeinen nur interessieren, ob der dafür Zuständige die sachliche und rechnerische Richtigkeit einer Forderung festgestellt und die Auszahlung des geschuldeten Betrages angeordnet hat. Dementsprechend wird er sich aber auch in der Regel keine Vorstellung darüber machen, ob die Auszahlungsanordnungen in der Sache zu Recht erfolgt sind ... Für die Annahme, dass bei C kein entsprechender Irrtum erregt wurde, er sich vielmehr gar keine Gedanken über die Richtigkeit der Rechnungen gemacht hat, spricht auch § 70 LHO Berlin, der eine Prüfungspflicht der Kassenbeamten nicht vorsieht.
3. A hat sich somit nicht wegen Betruges strafbar gemacht.
II. A könnte sich wegen Untreue gemäß § 266 I 1. Fall StGB strafbar gemacht haben.
1. Dann müsste er die Befugnis besessen haben, über fremdes Vermögen zu verfügen. Entsprechend der Vergabevorschriften oblag A als Oberbauleiter der Senatsverwaltung für Bauen die Prüfungspflicht hinsichtlich der ausgestellten Rechnungen. Erst aufgrund seiner Auszahlungsanordnungen erfolgten die kassenmäßigen Abwicklungen durch C. A hatte damit die Befugnis, über das Vermögen des Landes Berlin zu verfügen.
2. Diese Befugnis hat er missbraucht, indem er die Scheinrechnungen als sachlich richtig gekennzeichnet hat.
3. Nach der Rechtsprechung des BGH und der überwiegenden Lehre ist auch für den Missbrauchstatbestand eine Vermögensbetreuungspflicht erforderlich. Eine solche setzt eine kraft Gesetzes oder behördlichen Auftrags eigenverantwortliche Pflicht voraus. Als Oberbauleiter oblag A die eigenverantwortliche Auftragserteilung und anschließend die selbstständige Prüfungspflicht der Rechnungen bezüglich der erbrachten Bauleistungen. Er hatte somit eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich des Vermögens des Landes Berlin.
4. Durch den Missbrauch hat A dem betreuten Vermögen einen Vermögensnachteil zugefügt, da bei einem offenen, vergaberechtlich korrektem Verfahren die Bauleistungen für das Land Berlin kostengünstiger hätten erbracht werden können.
5. A handelte in Kenntnis der gesetzlichen Tatumstände und damit vorsätzlich. Dass A keine Bereicherungsabsicht nachzuweisen war, ist unerheblich, da eine solche bei § 266 StGB nicht erforderlich ist.
6. A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit gemäß § 266 I 1. Fall StGB strafbar gemacht.
Zusammenfassung
Mangels Vorstellung darüber, ob Auszahlungsanordnungen materiell richtig sind, unterliegen Kassenbeamten, welche nur die tatsächliche Auszahlung vollziehen, keinem Irrtum im Sinne des § 263 I StGB. Daher macht sich ein Amtsträger, welcher unter Missachtung vergaberechtlicher Vorschriften Auszahlungsanordnungen erteilt, nicht wegen Betruges sondern wegen Untreue strafbar.