Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Diebstahl, § 242 StGB; Begriff der Wegnahme. Raub, § 249 StGB. Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB. Bedrohung, § 214 StGB


BGH
Urteil vom 26. 6. 2008 (3 StR 182/08) NStZ 2008, 624

Fall
(Streit um Laptop)

A hatte seinen Laptop zur Reparatur in das Fachgeschäft des M gebracht und ihn später wieder abgeholt. Am Tattag erschien A wieder im Geschäft des M und machte diesem den - allerdings unberechtigten - Vorwurf, M habe das Gerät beschädigt. A gab M den Laptop und verlangte von ihm ein neues Gerät. Nach einem Wortgefecht legte M den Laptop auf den Verkaufstresen und forderte A auf, das Geschäft zu verlassen. A nahm ein kleines, auf dem Tresen liegendes Messer und hielt es dem M kurz an den Bauch. Nachdem A von M wieder abgelassen hatte, ging A zu einem Regal, diesem einen IBM-Laptop (Preis: 899 Euro) und verließ damit den Laden. M folgte ihm sogleich und ergriff, als er A auf dem Gehweg erreicht hatte, das Notebook, um es A wieder zu entwinden. A versetzte M einen Stoß mit dem Kopf, wodurch dieser eine blutende Platzwunde an der Oberlippe erlitt. Das Gezerre um das Notebook setzte sich fort, bis A davon abließ und sich entfernte. Strafbarkeit des A ?

A. Als A dem M das Messer an den Bauch gehalten hat, könnte er sich wegen einer Bedrohung (§ 241 I StGB) strafbar gemacht haben. Dann müsste A den M mit der Begehung eines Verbrechens bedroht haben. Ein solches Verbrechen ist hier aber nicht ersichtlich. BGH Rdnr. 13: Das bloße Halten eines kleinen Messers vor den Bauch des Geschädigten kann auch die Bedrohung nur mit einem Vergehen, z. B. einer Körperverletzung sein (vgl. zur subjektiven Seite BGHSt 17, 307 ff.; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 14 m. w. N.). A hat folglich keine Bedrohung begangen.

B. A könnte einen Diebstahl (§ 242 StGB) an dem Laptop begangen haben.

I. Das IBM-Gerät war für A eine fremde, im Eigentum des M stehende bewegliche Sache.

II. Bis zum Wieder-an-sich-Nehmen des Geräts durch A müsste eine vollendete Wegnahme erfolgt sein.

1. BGH Rdnr. 7, 8: Nach der Rechtsprechung ist die zur Vollendung des Diebstahls führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

a) Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt 16, 271, 273 ff.) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (Fischer, StGB 55. Aufl. § 242 Rdn. 17 m. w. N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens (BGHSt 23, 254, 255).

b) Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus. Auch ändert an der Wegnahme die Beobachtung des auf frischer Tat betroffenen Täters nichts, da der Diebstahl keine heimliche Tat ist.

2. Unterschiedliche Fallgruppen ergeben sich je nach Art und Umfang der Beute:

a) Bei großen, schweren oder sperrigen Sachen muss, um eine vollendete Wegnahme anzunehmen, der Abtransport gesichert sein, beispielsweise muss die Sache verladen sein (vgl. BGH NStZ 1981, 435 bei einem fast 300 kg schweren Tresor). Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem Notebook nicht.

b) BGH Rdnr. 8: Demgegenüber lässt die Rechtsprechung bei handlichen und leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen des Gegenstands als Wegnahmehandlung genügen und weist in Fällen, in denen der Täter einen leicht zu transportierenden Gegenstand an sich gebracht hat, einer Person jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft zu, wenn sie den umschlossenen Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hat (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1967, 896; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 1; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140, 141; Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rn. 42). Bei dem von A an sich genommenen Gerät handelte es sich um eine handliche und leicht bewegliche Sache.

BGH Rdnr. 9: Diese Grundsätze zugrunde gelegt, war die Wegnahme des Laptops jedenfalls spätestens vollendet, nachdem der Angeklagte mit ihm in der Hand das Ladenlokal und damit den Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hatte. Dem steht… nicht entgegen, dass der Angeklagte den Gegenstand offen wegtrug und nicht am Körper oder in einer mitgeführten Tasche verborgen hatte. Dass der Angeklagte die alleinige tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand hier bereits durch das bloße körperliche Ergreifen und Fortschaffen des Gegenstands erlangt hatte, ergibt sich schon daraus, dass der Ladeninhaber seine Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Angeklagten und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen konnte (vgl. BGH MDR 1967, 896). Die Verteidigung seines Besitzes durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber erfuhr durch das Fortschaffen des Gegenstands aus seinem Herrschaftsbereich eine zusätzliche Erschwernis. Dem Umstand, dass es dem Angeklagten lediglich gelungen war, sich mit dem Laptop nur wenige Schritte von dem Ladenlokal zu entfernen, kommt deshalb in einem Fall wie dem vorliegenden keine entscheidende Bedeutung zu.

Somit lag in dem Zeitpunkt, als M daran ging, das Gerät dem A wieder abzunehmen, bereits eine vollendete Wegnahme vor. Damit lehnt der BGB die Ansicht des LG ab, wonach die Wegnahme noch nicht vollendet war und A wirksam vom Versuch zurückgetreten ist.

III. A handelte vorsätzlich und in Zueignungsabsicht, weil er den Laptop im Augenblick der Wegnahme, also kurz nach dem Verlassen des Geschäfts des M, für sich behalten wollte.

IV. A müsste auch rechtswidrig gehandelt haben.

1. Ihm stand kein Recht zu, sich das IBM-Notebook einfach zunehmen. Er hatte nicht einmal einen Anspruch auf dieses Gerät. Er handelte somit rechtswidrig.

2. Die Rechtswidrigkeit war auch vom Vorsatz des A umfasst. Zwar hat A wahrscheinlich geglaubt, M habe sein Gerät beschädigt. Selbst dann kann A aber nicht der Überzeugung gewesen sein, dass er sich einfach ein beliebiges Ersatzgerät eigenmächtig nehmen könne.

Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit des A wegen Diebstahls sind somit gegeben.

C. A könnte sich wegen Raubes (§ 249 I StGB) strafbar gemacht haben.

I. Dann müsste er bei der Wegnahme Gewalt angewendet oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht haben.

1. A hat dem M ein Messer an den Bauch gehalten. Darin liegt eine schlüssige Drohung mit einer Leibesgefahr für M.

2. Die Gewalt oder die Drohung muss der Ermöglichung oder Erleichterung der Wegnahme dienen. Aus Sicht des Täters muss ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Gewalt oder der Drohung und der Wegnahme (sog. Finalzusammenhang) bestehen. A hatte aber das Messer schon wieder beiseite gelegt, als er nach dem Laptop griff. Zwischen dem Vorzeigen des Messers und der Wegnahme des Geräts bestand kein Finalzusammenhang.

II. Der spätere Kopfstoß stand schon deshalb in keinem Finalzusammenhang mit der Wegnahme, weil er der Wegnahme nachfolgte. Eine Maßnahme, die erst nach der Wegnahme vorgenommen wird, kann nicht die Wegnahme ermöglichen oder erleichtern.

Ein Raub liegt nicht vor.

D. Das Gerangel um das Notebook und der Kopfstoß könnten zur Strafbarkeit wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) führen.

I. A wurde bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen. Dass die Wegnahme erfolgt und der Diebstahl bereits begangen war, ändert daran nichts, wie sich aus der vom Gesetz verlangten Besitzerhaltungsabsicht ergibt; denn dabei geht des Gesetz davon aus, dass der Täter bereits im Besitz der Beute ist.

II. In dem Kopfstoß lag eine Gewaltanwendung gegenüber dem M als einer schutzbereiten Person.

III. Der Kopfstoß im Zusammenhang mit dem Gerangel um das Notebook konnte nur den Sinn haben, zu verhindern, dass M das Gerät zurückeroberte. Also hatte A Beutesicherungsabsicht.

IV. A handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Er ist deshalb wegen räuberischen Diebstahls gleich einem Räuber zu bestrafen.

E. Der Kopfstoß gegen M, der zu einer blutenden Wunde an der Lippe führte, erfüllt außerdem die Voraussetzungen für eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 I StGB).

Ergebnis: A ist wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu bestrafen (§§ 252, 249, 223, 52 StGB).


Zusammenfassung