Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Betrug, § 263 I StGB, durch konkludente Täuschung

OLG Frankfurt a.M. Beschluss vom 13. 3. 2003 (1 Ws 126/02) NJW 2003, 3215

Fall (Rechnungsähnliche Angebotsschreiben)

A erstellte ein Privatregister für Kaufleute. Der Inhalt des Registers überstieg nicht den Informationsgehalt eines Handelsregisters. In der Zeit vom 4. 1. 1998 bis zum 24. 4. 2001 versandte er an insgesamt 2 600 Kaufleute Schreiben, die eine Offerte zur Eintragung in das von A geführte Register enthielten. Die Gestaltung der Schreiben sowie die Verwendung bestimmter Merkmale, die für amtliche Rechnungen typisch sind, erweckten bei den Empfängern den Eindruck, es handle sich um amtliche Rechnungen für eine bereits erfolgte Eintragung in ein öffentliches Register. A verwendete z.B. Begriffe wie „Zentralregister für Gewerbeeintragung“, gab Kassenzeichen an, schlüsselte den zu zahlenden Betrag nach Netto- und Bruttosumme auf, setzte unter Fettdruck eine Zahlungsfrist und fügte einen ausgefüllten Überweisungsträger bei. Auf der Rückseite der Schreiben hatte A allerdings seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgedruckt, aus denen entnommen werden konnte, dass das Schreiben nur ein Angebot zur Eintragung in ein Privatregister darstellte. Die Mehrzahl der Kaufleute las die allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch nicht und überwies in der Vorstellung, es handle sich um eine amtliche Rechnung, den in dem Überweisungsträger eingetragenen Betrag auf das Konto des A. Strafbarkeit des A ?

A könnte sich wegen Betruges gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten der Kaufleute strafbar gemacht haben.

1. Dann müsste A eine Täuschungshandlung begangen haben.

a) Diese kann zum einen in einer ausdrücklich wahrheitswidrig abgegebenen Erklärung liegen. A hat nicht ausdrücklich behauptet, dass es sich bei den Schreiben um offene Rechnungen für eine amtliche Registereintragungen handelt. Eine ausdrückliche Täuschungshandlung scheidet daher aus.

b) Eine Täuschungshandlung kann aber zum anderen auch durch konkludentes Verhalten erfolgen. Davon ist auszugehen, wenn der Täter zwar die Unwahrheit nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt. Der BGH hat die Möglichkeit einer konkludenten Täuschung durch Zusenden von rechnungsähnlichen Angebotsschreiben grundsätzlich bejaht (BGH NJW 2001, 2187). Voraussetzung dafür sei, dass der Täter unter dem Anschein eines äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens vorgehe und dabei gezielt die Schädigung des Adressaten verfolge.

Das OLG bejaht im vorliegenden Fall eine solche konkludente Täuschung: Bei objektiver Betrachtungsweise und nach der Verkehrsanschauung ist in diesen Schreiben miterklärt, dass es sich dabei um amtliche Rechnungen für vorangegangene Eintragungen der Adressaten in amtliche Register handelt. Die optische Gestaltung sowie die Verwendung und das Arrangement typischer Rechnungsmerkmale ... erwecken den Eindruck einer amtlichen Rechnung ...

Etwas anderes könnte sich allerdings aus der Tatsache ergeben, dass bei genauem Hinsehen der ordentliche Kaufmann aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte erkennen können, dass es sich nur um Angebotsschreiben zur Eintragung in ein Privatregister handelte. Hierfür spricht, dass Kaufleute gemäß § 347 HGB einem erhöhten Haftungsmaßstab unterliegen.

Nach Auffassung des OLG Frankfurt rechtfertigt dieser Umstand jedoch keine andere Beurteilung des Falles. Der Adressat eines Schreibens, das die im Geschäftsverkehr übliche Form einer Rechnung hat, darf insoweit nach der objektiven Anschauung des Geschäftsverkehrs darauf vertrauen, dass es sich auch tatsächlich um eine Rechnung handelt (Garbe NJW 1999, 2869).

Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den Adressaten um kaufmännische Unternehmen handelt. Soweit die Rechtssprechung für die Annahme einer objektiven Täuschung unter anderem auf die auf Seiten des Erklärungsadressaten zu erwartende - typisierte - Sorgfaltspflicht abstellt ..., ist es angesichts des prägenden Gesamteindrucks der hier in Frage stehenden Angebotsschreiben nicht fern liegend, dass auch geschäftserfahrene Adressaten sie mit einer Rechnung verwechseln. Denn auf Grund des durch die rechnungsähnliche Gestaltung der Schreiben in Verbindung mit der Wiedergabe der amtlichen Eintragung erweckten Eindrucks einer amtlichen Rechnung hat auch der im Geschäftsverkehr erfahrene Empfänger keine Veranlassung, sich mit dem Text des Schreibens genauer zu befassen und sich über den Grund der vermeintlichen Rechnungsstellung zu vergewissern. Auf der Grundlage der Auffassung des OLG ist somit eine konkludente Täuschungshandlung gegeben.

2.Durch die Täuschungshandlung ist bei den Adressaten der Schreiben ein entsprechender Irrtum hervorgerufen worden.

3 . Weiterhin müsste eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung gegeben sein. Das OLG bejaht diese, da die jeweiligen Empfänger der Schreiben diese bestimmungsgemäß als Rechnung für eine vorausgegangene Eintragung in das amtliche Register ansahen und aufgrund der vermeintlichen Zahlungsverpflichtung den darin geforderten Betrag zahlten.

4. Durch die Vermögensverfügung muss den Kaufleuten ein Vermögensschaden entstanden sein. Für die Bestimmung des Vermögensschadens ist der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmende Wertvergleich zwischen Leistung und Gegenleistung entscheidend. Im Rahmen eines solchen Wertevergleichs stellt sich die als Gegenleistung vorgenommene Eintragung in das Privatregister als faktisch wertlos dar, da dieses nicht über den Informationsgehalt eines Handelsregisters hinaus geht. Somit ist auch ein Vermögensschaden gegeben.

5. Weiterhin handelte A vorsätzlich und mit der erforderlichen Absicht, sich stoffgleich zu bereichern.

6. A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen Betruges gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht.

Zusammenfassung

Die Zusendung rechnungsähnlich gestalteter Angebote kann auch unter Kaufleuten eine konkludente Täuschung im Sinne des Betrugstatbestandes darstellen, wenn diese nach objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, den Eindruck von amtlichen Rechnungen zu erwecken. Eine Klarstellung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite der Rechnungen ändert an einer Strafbarkeit nach § 263 I StGB nichts.